Wusstest du, dass es eine Art von Selbstständigkeit gibt, die eigentlich gar keine ist? Ja, das ist die sogenannte Scheinselbstständigkeit.

Der Begriff spukt immer wieder irgendwo über unseren Köpfe, und ich erlebe es in meiner Tätigkeit als Teamaufbau-Mentorin so oft, dass ganz viel Unklarheit und Unwissen über Scheinselbstständigkeit herrscht.

In diesem Artikel erkläre ich dir kurz und knapp, was es auf sich hat, warum es das gibt, welche Mythen sich hartnäckig darüber halten und gebe dir Tipps, wie du das vermeiden kannst.

Denn Scheinselbstständigkeit kann DIR als Auftraggeber*in richtig teuer kommen.

 

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TEAM-UP Podcast | Folge #37 Scheinselbstständigkeit vermeiden

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Was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine Person als Selbstständige*r tätig ist, aber in Wirklichkeit wie ein*e abhängig Beschäftigte*r behandelt wird.

Eine Person gilt als selbstständig, wenn sie ihre Tätigkeit eigenverantwortlich und ohne Weisung ausübt und sich selbst organisiert. 

Scheinselbstständig jedoch gilt jemand, wenn er/sie zum Beispiel:

  • feste Arbeitszeiten hat
  • Weisungen von einem Arbeitgeber bekommt
  • sich an Vorgaben halten muss, wann und wo gearbeitet wird
  • sich an eine Dienstkleidung halten muss
  • eine Tätigkeit ausübt, die sonst von angestellten Mitarbeitende ausgeübt wird

Insbesondere, wenn jemand kein eigenes Gewerbe hat und keine eigenen Geschäftsräume besitzt, erhöht sich das Risiko, als scheinselbstständig zu gelten. Jedoch gibt es keine konkrete Zahlen und Vorgaben, ab wann es sich um Scheinselbstständigkeit handelt. 

Aber warum gibt es überhaupt Scheinselbstständigkeit?

Für Arbeitgeber kann es eine attraktive Alternative sein, ihre Mitarbeiter als scheinselbstständig zu beschäftigen. Zum einen können sie damit Kosten sparen, da sie keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. 

Zum Anderen können sie sich so von Verantwortung freisprechen, indem sie die Selbstständigen als eigenverantwortlich darstellen. Selbstständige genießen nicht die gleichen Rechte wie Angestellte, wie bezahlter Urlaub, Kündigungsschutz oder Mutterschutz, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wenn im Arbeitsmarkt einen Macht-Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, möchte der Gesetzgeber so einerseits schwächere Arbeitnehmer*innen schützen.

Und natürlich (geht ja immer irgendwo um Geld) sicherstellen, dass Sozialversicherungseinnahmen nicht flöten gehen.

Welches Risiko besteht für Auftraggeber*innen bei Scheinselbstständigkeit?

Wenn sich herausstellt, dass Auftraggeber*innen Scheinselbstständigkeit praktizieren, riskieren sie hohe finanzielle Folgen. Im Falle einer Überprüfung durch die Finanzbehörden können sie nachträglich Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen müssen. 

Diese Forderungen können bis zu 4 Jahre in der Vergangenheit gefordert werden.

Beispielrechnung:
Du beschäftigst einen Freelancer und zahlst ihm ein Honorar von 500 EUR/Monat. Die Zusammenarbeit erweist sich als Scheinselbstständigkeit. Meiner Rechnung zufolge zahlst du bis zu ca. 19.000 EUR nachträglich.

Auch können sie von den betroffenen Selbstständigen auf Schadensersatz verklagt werden, wenn diese Ansprüche auf Sozialleistungen geltend machen. 

Mythen über die Scheinselbstständigkeit

Es gibt Mythen über die Scheinselbstständigkeit, die sich hartnäckig halten, die aber keinesfalls alleine die Scheinselbstständigkeit beweisen oder vor Scheinselbstständigkeit schützen.

Mythos #1: Ein Vertrag schützt vor Scheinselbstständigkeit

Ausschlaggebend ist, wie die Zusammenarbeit in der Realität praktiziert wird: Ob du mit deinem freien Teammitglied so arbeitest, wie mit anderen Festangestellte und die Merkmale der Zusammenarbeit Arbeitnehmer-ähnlich sind oder ob die Zusammenarbeit wirklich unabhängig ist.

Ein entsprechender Vertrag hilft natürlich als eines der Bausteine, um nachzuweisen, dass es sich um eine selbstständige Tätigkeit handelt, reicht aber alleine nicht aus.

Mythos #2: Wenn ein*r Selbstständige*r nur einen Auftraggeber hat, ist es Scheinselbstständigkeit

Das ist insbesondere eine Sorge, wenn freie Mitarbeitende gerade in die Selbstständigkeit startet. Irgendwo muss man ja mit dem/der ersten Kund*innen starten.

Ausschlaggebend ist eher, wie die Zusammenarbeit gestaltet ist (siehe Kriterien und Tipps), aber auch wie lange du die/der einzige Auftraggeber*in bleibst und in welchem Umfang du die Person beschäftigst.

Mythos #3: Mein Auftrag darf nicht mehr als 80% des Umsatzes des Selbstständigen ausmachen

Manchmal kursieren auch andere Zahlen. Ich habe letztens 82% oder auch 70% gelesen.

Fakt ist: Die/der Selbstständige darf nicht von dir vollständig abhängig sein. Daher wenn die Person seinen Lebensunterhalt fast ausschließlich mit deinem Auftrag sichert, kann es in der Tat ein Fall sein.

Aber eine konkrete Zahl gibt es nicht.

Tipps wie du als Auftraggeber*in Scheinselbstständigkeit vermeidest

Als Auftraggeber*in möchtest du natürlich alles richtig machen und sicherstellen, dass du nicht in die Falle der Scheinselbstständigkeit tappt.

Aber keine Sorge, es gibt einige Dinge, die du in der Zusammenarbeit und in den Verträgen berücksichtigen kannst, um sicherzustellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

Wichtigster Tipp:
Achte darauf, dass du keine Weisungen erteilst und die Selbstständigen ihre Tätigkeit eigenverantwortlich und ohne Weisungen ausüben. Weisungen sind Vorgaben, die du gibst, wann, wo und wie gearbeitet werden soll. 

  1. Vermeide es, feste Arbeitszeiten vorzugeben.
    Du kannst dennoch Rahmenbedingungen festlegen, in welchem Zeitraum ein Auftrag erfüllt werden soll:
    • Frist für ein Projekt: Einen bestimmten Auftrag soll bis zu einem bestimmten Termin fertiggestellt werden.
    • Frist für Aufgaben: Bsp. Kundenanfragen sollen innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden.
    • Rahmenbedingungen die eine Geschäftsauswirkung haben: Kommunikation mit externen Personen (Kund*innen, Dienstleistende, etc.) soll innerhalb von Geschäftszeiten laufen (z. Bsp zwischen 8h und 20h, wenn du nicht möchtest, dass ein Kunde eine Antwort um 3 Uhr Nachts erhält.
    • Termine: Natürlich kannst du auch Termine machen, und vereinbaren, dass ein Projekt an einem bestimmten Tag stattfinden muss.
  2. Fordere nicht, dass dein freies Teammitglied in deinen Geschäftsräumen arbeiten muss
    Gib keine Vorgabe, wo die Arbeit verrichtet werden soll, wie zum Bsp., dass die Person ihre Arbeit in deinen Geschäftsräumen verrichten muss. Wenn du aber eine*n Selbstständige*n zur Unterstützung bei einem Event einstellst, gibst du ja zwangsweise den Arbeitsort und die Arbeitszeit vor.

     

  3. Vergib keine individuelle E-Mail-Adresse
    Vermeide es, den/die Selbstständige*n so wie einen Festangestellten zu behandeln: Vergib der Person keine individuelle E-Mail-Adresse oder lasse die Person ihre eigenen Arbeitsmitteln (wie zum Bsp Computer oder Handy) verwenden.

     

  4. Bevorzuge eine leistungsbezogene Bezahlung vs. eine stundenbasierte Bezahlung:
    Bezahle also die Person eher pro Blogartikel, für eine bestimmte Anzahl an Social Media Posts, oder eine Pauschale für die Abwicklung deiner vorbereitenden Buchhaltung, statt nach Stunden zu bezahlen. Leistungsbezogene Bezahlung ist nicht immer einfach oder möglich, denn es erfordert eine genaue Einschätzung des Umfangs.

     

  5. Achte darauf, dass die Bezahlung nicht von Monat zu Monat absolut konstant ist:
    Dabei hilft zum Beispiel: die Berechnung von mehr oder weniger Aufwand in bestimmten Zeiträumen oder Preiserhöhungen des/der Selbstständigen.

     

  6. Vereinbare einen Vertrag zur freien Mitarbeit
    und zwar zum Beispiel als Rahmenvertrag, der die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit regelt und die selbstständige Tätigkeit beschreibt. Der konkrete Umfang oder die Aufträgen können dann über Angebote/Kostenvoranschläge vereinbart werden.

Der ganz sichere Weg: Das Feststellungsverfahren der deutschen Rentenversicherung

Wenn du sicher gehen willst, gibt es nur einen einzigen Weg: das Feststellungsverfahren der deutschen Rentenversicherung.

Was es ist? Ganz einfach: Das Feststellungsverfahren des Erwerbsstatus ist dafür da, festzustellen, ob jemand als Selbstständige*r oder als abhängig Beschäftigte*r gilt. Das übernimmt die Deutsche Rentenversicherung.

Den Antrag kann sowohl die/der Auftraggeber*in als auch die/der Selbstständige stellen. Dieser kann aber auch von der Behörde (Finanzamt, bspw.) veranlasst werden, wenn ein Verdacht besteht.

Das Feststellungsverfahren selbst ist ziemlich umfangreich und berücksichtigt verschiedene Faktoren, wie die Art der Tätigkeit, die man ausübt, die Häufigkeit und Dauer der Tätigkeit und die Art der Bezahlung.

Ein Blick in den Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus gibt dir schon einen ersten Überblick über die Aspekte, die abgefragt werden. 

Fazit

Falls du jemanden in freier Mitarbeit beschäftigen möchtest, achte darauf, dass alles korrekt zugeht und du nicht in die Falle der Scheinselbstständigkeit tappst. 

Deinen Umgang mit Risiken gehört zum Unternehmertum dazu.

Im Zweifel nutze das Feststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung. Besser auf Nummer sicher gehen und alles korrekt regeln, als später böse Überraschungen zu haben.

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